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HI-LING

LINGUISTIK AN MITTELSCHULEN

UNIT 2: VIOLATION OF MAXIMS

Lektion 2: Jugendsprache und Identität

Definition: Die Jugendsprache spielt eine fundamentale Rolle in der Identitätsbildung von Jugendlichen. Einerseits trägt die Jugendsprache dazu bei, Gruppenidentitäten zu konstruieren. Andererseits ermöglicht sie ihren Sprecher*innen, individuelle Identität auszudrücken.

Schlüsselkonzepte

  • Differenzierung

  • Identifikation

  • Gruppenidentiät

  • Gleichaltrigengruppe («peer group»)

  • Emblematisch

  • Positionalitätsprinzip 

EINHEIT 1: GRUPPENIDENTITÄT

Die Jugendsprache erfüllt mehrere wichtige Funktionen, die der Identitätsbildung beitragen. Sie dient der Differenzierung zu anderen Altersgruppen, der Identifikation sowie der eigenen Identitätsbildung. Schauen wir uns dies nun etwas genauer an. Normalerweise wollen Jugendliche sich von Erwachsenen oder anderen Gleichaltrigen distanzieren, mit denen sie nicht assoziiert werden wollen. Das kennst du sicherlich auch aus persönlicher Erfahrung. Diesen Vorgang nennen wir Differenzierung. Das Gegenteil davon ist die Identifikation. Jugendliche identifizieren sich stark mit Gleichaltrigen, die sie mögen und mit denen sie gerne in Verbindung gebracht werden. Du fragst dich jetzt vielleicht, wie sie das machen. Durch den Gebrauch von spezifischen Ausdrücken und eine ähnliche Art zu sprechen, können Jugendliche ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Nähe zu anderen Jugendlichen ausdrücken. Als Konsequenz dieser Jugendsprache, die in einer Gruppe verwendet wird, formt sich eine Gruppenidentität. Diese Gruppe aus Gleichaltrigen, auch «peer group» genannt, wird von den Menschen, welche nicht Teil der Gruppe sind, auch als solche wahrgenommen. In der Jugendsprache sind bestimmte sprachliche Merkmale charakteristisch für ihre Altersgruppe. Diese Merkmale dienen als Art sprachlicher «Ausweis», welcher Personen ausserhalb der Gruppe signalisiert, dass jemand zu dieser spezifischen sozialen Gruppe gehört, sobald sie verwendet werden.

Übung 1: Diskussion

Besprich folgende Frage mit deiner Pultnachbarin oder deinem Pultnachbarn: Sprichst du auf eine spezielle Art und Weise bzw. benutzt du gewisse Ausdrücke, welche du nicht benutzen würdest, wenn du mit deinen Eltern, deinen Lehrpersonen oder deinen Grosseltern sprechen würdest?

Als Unterstützung kannst du dir folgendes Szenario vorstellen: Du hattest einen anstrengenden Tag in der Schule. Zuerst bist du zu spät gekommen, weil dein Zug Verspätung hatte. Anschliessend hast du auch noch deine Sportklamotten vergessen und dann noch einen ungenügenden Mathetest erhalten – wie würdest du gleichaltrigen Freunden von diesem Tag erzählen? Wie würdest du deiner Grossmutter davon erzählen? Erkennst du Unterschiede?

EINHEIT 2: DAS POSITIONALITÄTSPRINZIP

Neben der Bildung einer Gruppenidentität ist die eigene, individuelle Identitätsbildung von Jugendlichen eine wichtige Funktion der Jugendsprache. In der Jugendzeit beginnen junge Menschen damit, sich selbst zu entdecken. Eine Möglichkeit, wodurch sie dies zum Ausdruck bringen können, ist die Art und Weise, wie sie ihre Sprache verwenden. Wie genau kann nun aber die Sprache dazu beitragen, eine Identität auszudrücken? Durch Sprache positioniert sich ein Individuum in Verbindung zu anderen Personen und etabliert Beziehungen zu ihnen. Dieses Vorgehen nennen wir Positionalitätsprinzip. Das hört sich jetzt vielleicht zuerst ein wenig kompliziert an, aber eigentlich besagt es nur, dass die eigene Identität immer in Verbindung zu der Position von anderen Leuten geformt wird und dieser Prozess auf drei Ebenen stattfindet. Schauen wir uns das nun etwas genauer an. In einem ersten Schritt besteht die Identität aus verschiedenen Makrogruppenkategorien (Makro = gross, allgemein), welche beim Sprechen ausgedrückt werden. Diese Makrogruppen sind zum Beispiel Alter, Geschlecht und Nationalität. In einer Konversation positionierst du dich folglich immer als Mann, Frau oder Andere, als wohnhaft in der Schweiz und als Jugendliche*r zwischen 15-20 Jahren. In einem zweiten Schritt beziehen wir uns auf die Mikrogruppenkategorien (Mikro = klein, individuell), welche lokaler und spezifischer sind. Diese Kategorien beziehen sich auf deine Rolle innerhalb der Gemeinschaft. Zum Beispiel kann es sein, dass du dich als Schüler*in am Gymnasium identifizierst, als Kind deiner Eltern oder als Mitglied eines bestimmen Vereins. Als dritte und letzte Ebene gibt es die flexibleren Identitäten und Rollen, welche nur für die Dauer einer Konversation angenommen werden. Zum Beispiel kannst du dich während einer Konversation als Zuhörer*in, als Sprücheklopfer*in oder als Berater*in positionieren.

Übung 2: Analysiere diese Konversation

Schau dir diesen Ausschnitt einer Konversation an:

Zwei Jugendliche, Miriam und Lena, unterhalten sich über die Schule. Sie sind beide Abiturientinnen in Deutschland und 16 Jahre alt. Sie gehören nicht zu der «coolen» Clique, weil ihnen ihre Noten wichtig sind.

M: «Ey Bro, ich muss dir erzählen, was heute in der Schule passiert ist! Ich bin so pissed!»

L: «Hau raus, ich höre dir zu.»

M: «Wir haben heute unsere Noten für die Physikprüfung erhalten und obwohl die Prüfung schwer war, hab’ ich sie gerockt wie immer. Aber als Herr Schmid mich für meine gute Note gelobt hat, hat Elena, diese Zicke, sich total über mich lustig gemacht, weil ich ja so eine Streberin sei. Wie pathetic. Selbst Schuld, dass ihre Welt sich nur um Jungs und die neusten Modetrends dreht.»

L: «Facts! Aber ja, ich versteh’s, das ist fett ärgerlich.»

M: «Ja mega. Auch weil ich so hyped war, es meinen Grosseltern zu erzählen. Sie werden so stolz sein. Vor allem mein Grossvater. Du weisst ja, wie glücklich er darüber ist, dass ich die erste Frau in der Familie sein werde, die ein Physikstudium abschliessen wird. Was ein Flex.»

L: «Ich verstehe, wie du dich fühlst, aber versuch dich nicht zu fest darüber zu sorgen.»

Analysiere diese Konversation und mach dir Gedanken zu den drei verschiedenen Ebenen des Positionalitätsprinzips. Versuche, Elemente der Jugendsprache zu identifizieren und sie zu benennen. Überlege dir anschliessend, wo man die Mikrogruppen, die Makrogruppen und die flexible, temporäre Identität der Sprecher*innen erkennen kann.

Lösungen: Jugendsprache: Ey Bro, pissed, Hau raus, Zicke, Pathetic, Facts, fett, hyped, Was ein Flex Macrosoziale Gruppe:Alter: beide brauchen Jugendsprache also sind sie beide jung. Geschlecht: weiblich, Miriam sagt, dass sie die erste Frau in der Familie sein wird, die Physik studieren wird. Auch der Vergleich mit Elena, das Mädchen was nur über Schminke nachdenkt, bezieht sich auf das Frau sein. Mikrosoziale Gruppe:Miriam ist eine Enkelin.Beide sind eher Streber, sie sprechen über gute Noten und das führte zu einem Konflikt mit einer «cooleren» Mitschülerin. Beide Sprecherinnen sind Abiturientinnen. Rolle während der Konversation: Lena positioniert sich als Zuhörerin als sie sagt «Haus raus» und sie ist eine empathische Zuhörerin weil sie immer antwortet und zustimmt. Am Ende gibt sie auch noch einen Ratschlag. Miriam hingegen beschwert sich und muss Dampf ablassen.

Gedanken zum Abschluss:

Nicht nur Mitglieder derselben «peer group» sprechen ähnlich, sondern wir akkommodieren (=anpassen) unsere Sprache auch an die Sprache der Menschen, die wir mögen. Ist es dir auch schon passiert, dass du im Gespräch mit einer Person angefangen hast Ausdrücke zu benutzen, die sie sonst immer verwendet?

Quellen

Bilder

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