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HI-LING

LINGUISTIK AN MITTELSCHULEN

UNIT 2: VIOLATION OF MAXIMS

Lektion 1: Die dynamischen Phasen des Zweitsprachenerwerbs

In dieser Lektion wird untersucht, wie sich der Erwerb einer zweiten Sprache (L2) vom Erwerb der ersten Sprache (L1) unterscheidet, wobei der Schwerpunkt auf den wichtigsten Sprachkompetenzen und -phasen liegt.

Schlüsselkonzepte

  • L2-Kompetenzen

  • L1 vs. L2-Erwerb 

  • Inter-Sprache

  • Fossilisierung der Sprache

  • Kommunikative Kompetenz

Ice Breaker

Der Prozess des Erwerbs der Erstsprache(n) (L1) erschient natürlich, dennoch liegt der Schwerpunkt sowohl beim L1- als auch beim L2-Erwerb auf der Entwicklung von vier Schlüsselkompetenzen:

Lesen (Schriftliches Verstehen),

Schreiben (Schriftliche Produktion),

Hören (Auditives Verstehen)

Sprechen (Mündliche Produktion)

 

Welche dieser Kompetenzen ist deiner Meinung nach für das effektive Erlernen einer neuen Sprache am wichtigsten? Überlege dir, was es für dich bedeutet, in jedem Bereich "kompetent" oder "fliessend" zu sein. Geht es darum, einen Film ohne Untertitel zu verstehen, mühelos einen Aufsatz zu schreiben oder eine längere Konversation in deiner  L2 zu

L1 vs. L2 Spracherwerbs

Beim Erlernen einer neuen Sprache, egal ob L1 oder L2,  durchlaufen wir drei Hauptphasen 

Endzustand: Auf dem Weg zur Sprachbeherrschung

L1-Erwerb: Für L1-Sprecher bedeutet dieses Stadium ein tiefes und intuitives Verständnis des Sprachsystems. Die Erweiterung des Wortschatzes, vor allem im spezialisierten Gebrauch wie der berufsspezifischen Sprache, setzt sich jedoch im Laufe des Lebens fort.

 

L2-Erwerb: L2-Lernende streben eine Sprachbeherrschung an, die L1 Kompetenz widerspiegelt. Allerdings gibt es immer kleine Unterschiede zwischen einem L1- und einem L2-Sprecher. 
Dieser "eingefrorene" Zustand wird als "Sprachfossilisierung" bezeichnet, bei dem bestimmten Muster aus der L1 im L2-Gebrauch fortbestehen. Dabei kann es sich um leichte Akzente oder grammatikalische Strukturen handeln. Stell dir einen Englischlerner vor, der anfangs Schwierigkeiten mit dem "th"-Laut hat und ihn wie "s" ausspricht. Im Laufe der Zeit verbessert er sich in vielerlei Hinsicht, aber die Schwierigkeiten mit dem "th"-Laut bleiben bestehen.

Anfangszustand: Die Ausgangspunkte des Sprachenlernens

L1-Erwerb: Es wird angenommen, dass Kinder eine angeborene Fähigkeit zum Spracherwerb besitzen, die oft als "Sprachvermögen" bezeichnet wird. Diese Fähigkeit ermöglicht es ihnen, ihre erste(n) Sprache(n) durch einfachen Sprachkontakt und Interaktion aufzunehmen, ohne ein tiefes Verständnis über das Konzept ‘Sprache’ selbst zu haben. Es ist jedoch unklar, ob diese angeborene Fähigkeit ein Leben lang erhalten bleibt oder ob sie mit zunehmendem Alter verloren geht. Wir werden dies in Lektion 2 näher untersuchen.

 

L2-Erwerb: Unabhängig davon, ob die natürliche Fähigkeit erhalten bleibt oder nicht, sind die Vorkenntnisse in einer L1 ein wichtiger Vorteil beim Erlernen einer zweiten Sprache. Dieses Wissen geht über die spezifische Sprache hinaus und beinhaltet auch, wie Sprache (im Allgemeinen) funktioniert. Neben dem Wissen, wie man Sprache produziert, verfügen L2-Lernende auch über kommunikative Kompetenzen, wie z. B. Interaktionsfähigkeiten, d. h. sie wissen, wie man um etwas bittet, ein Versprechen macht oder sie wissen, wie man sich entschuldigt.

 

Zwischenstadium: Verschmelzung von Sprachen

 L1-Erwerb: Die Sprachentwicklung wird als ein weitgehend unbewusster Prozess angesehen, der eng mit der kognitiven Reifung verbunden ist. Das heißt, so wie ein Kleinkind vom Krabbeln zu den ersten Schritten und schließlich zum Laufen übergeht, entwickeln sich Kinder in ihrer Sprachproduktion weiter. So erweitern sie zum Beispiel ihren Wortschatz oder erlangen komplexere Satzstrukturen.

L2-Erwerb: Anstelle der Reife rückt die Fähigkeit Wissen von der L1 auf die L2 zu übertragen in den Mittelpunkt. Der Lernende wird zum sprachlichen Architekten, der eine Brücke zwischen den beiden Sprachen baut und  die Sprache mitgestaltet. Dabei werden Elemente aus L1 und L2 vermischt und etwas völlig Neues erschafft, die so genannte "Inter-Sprache " oder "Lernenden Sprache". Manchmal stimmen die Regeln und Ähnlichkeiten der zwei Sprachen überein. Das nennt man positiven Sprachtransfer. In anderen Fällen wiedersprechen sie sich, was zu einem negativen Sprachtransfer oder einer Interferenz führt.

Betrachte dieses Beispiel: "hôpital" (Französisch) und "hospital" (Englisch) haben die gleichen Wurzeln, also ist die Verwendung des einen Wortes in der anderen Sprache wie ein sprachliches High-Five (positiver Transfer), kein Problem. Aber manchmal ist diese Angelegenheit nicht so einfach. Denke an das Wort "Krankenhaus" (Deutsch), und versuche es ins Englische zu übertragen (negativer Transfer). Anders verhält es sich jedoch mit dem Wort "Spital" im Schweizerdeutschen. Wir könnten stundenlang mit vielen anderen Beispielen spielen, oder?

Diskutiert zu zweit: 

Vergleiche die letzte Phase des Spracherwerbs. Wie veranschaulichen die Prozesse der "Inter-Sprache"-Bildung und Fossalisierung den einzigartigen Prozess des L2-Erwerbs im Vergleich zum angeborenen Spracherwerb bei L1-Lernenden? Wie trägt dies zu deinem Verständnis von Sprachbeherrschung (Proficiency) bei?

Kommunikative Kompetenz: Mehr als nur Worte

Die sechs Schlüsselkomponenten der Sprache
 

  1. Wortschatz (Lexikon): Wie die Palette eines Malers, die mit verschiedenen Farben gefüllt ist, liefert der Wortschatz die Wörter und Ausdrücke, die du für einen reichhaltigen und genauen Ausdruck benötigst. Beispiel: Synonyme, um Freude auszudrücken, wie freudig, froh, erfreut, vergnügt, und viele mehr.
     

  2. Morphologie (Wortstruktur): Das Verständnis dafür wie Wörter gebildet werden - betrachte es als die Bausteine der Sprache, z. B. wie "un-" die Bedeutung von "glücklich" zu "unglücklich" ändert.
     

  3. Phonologie (Lautsystem): Das ist die Musik der Sprache - wie Laute verwendet und strukturiert werden. Dies ist entscheidend für die Aussprache und das Verständnis gesprochener Wörter. Beispiel: Den Unterschied im Klang zwischen "Rat" und "Rad" verstehen.
     

  4. Syntax (Grammatik): Die Regeln für die Aneinanderreihung von Wörtern. Eine gute Syntax ist wie ein Rezept, das sicherstellt, dass die Sätze einen Sinn ergeben. Beispiel: Eine Aussage wie "Er hat seine Hausaufgaben gemacht." im Vergleich zu einer Frage wie "Hat er seine Hausaufgaben gemacht?" erfordert eine andere Satzstruktur.
     

  5. Nonverbale Strukturen: Die stillen, aber wirkungsvollen Aspekte der Kommunikation, wie Gestik und Mimik, verleihen deinen Worten Tiefe. Beispiel: Nicken, um Zustimmung zu zeigen, Hochziehen der Augenbrauen, um Überraschung auszudrücken.
     

  6. Diskurs: Wie Sie Sprache in realen Situationen verwenden, z. B. beim Chatten mit Freunden oder beim Schreiben eines Aufsatzes.

 Den sprachlichen Werkzeugkasten erweitern

Das Erlernen einer zweiten Sprache (L2) ist mehr als nur das Auswendiglernen von Wörtern und Grammatikregeln. Um wirklich effektiv kommunizieren zu können, müssen wir das Konzept der kommunikativen Kompetenz begreifen.

Das bedeutet nicht nur, dass man die Sprache beherrscht, sondern auch, wie man sie in verschiedenen Situationen effektiv einsetzen kann.

Wie kommen diese Elemente im eigentlichen Prozess des Sprachenlernens zusammen? Dieser dynamische Prozess der Entwicklung von Kommunikationskompetenz, insbesondere in einer zweiten Sprache, folgt in der Regel einem progressiven Weg. Jeder Schritt baut auf dem vorherigen auf und verbessert unsere Fähigkeit, Sprache in verschiedenen Kontexten effektiv zu verwenden.

Entwicklung von Kommunikationsfähigkeiten: Schritt für Schritt

Grundlegende phonologische Bewusstheit: Der allererste Schritt beim Erlernen einer neuen Sprache ist das Erkennen und Produzieren neuer Laute und Muster in der L2. Beispiel: Beherrschen des rollenden "r"-Lauts im Französischen.

 

Erwerb von Vokabeln: In Verbindung mit dem Erlernen des Lautsystems einer Sprache wird auch der Wortschatz erworben.

Die Schüler beginnen mit den wichtigsten Wörtern und Sätzen, die sie für die alltägliche Kommunikation benötigen, und erweitern ihren Wortschatz schrittweise.

Grammatikalische Strukturen: Das Erlernen grammatikalischer Strukturen in einer Zweitsprache kann einige Zeit in Anspruch nehmen, vor allem, wenn sich die Grammatik einer L1 und einer L2 erheblich unterscheiden. Vergleiche zum Beispiel, wie viele Vergangenheitsformen es im Deutschen und im Englischen gibt. Grundlegende Grammatikregeln wie Wortstellung und Konjugation von Verben werden zuerst gelernt, bevor man zu komplexen Strukturen übergeht.

 

Soziale und pragmatische Aspekte: Das Verständnis und die Anwendung der angemessenen sozialen und pragmatischen Aspekte der Sprache können eine Herausforderung darstellen und sich langsamer entwickeln als andere Komponenten. Dazu gehört z. B. das Wissen, wann man formale Sprache oder idiomatische Ausdrücke wie "Diese Lektion war ein Kinderspiel" verwenden sollte.

Das Erreichen kommunikativer Kompetenz, die für viele Sprachlernende das Hauptziel ist, bedeutet, all diese Elemente zusammenzubringen, um in jeder Situation effektiv und angemessen zu kommunizieren. Es geht nicht nur darum, was man sagt, sondern auch darum, wie man es sagt, die sozialen Regeln zu verstehen und die Sprache so einzusetzen, dass sie im jeweiligen Kontext Sinn macht.

Kommunikative Kompetenz

Diskutiert in kleinen Gruppen über euren eigenen Prozess des Sprachenlernens. Welche Sprachkomponente ist für euch am wichtigsten? Welche ist am einfachsten zu erlernen? Wie beeinflusst das die Art und Weise, wie ihr eine Sprache lernt? Erinnert euch an eure Überlegungen zu den vier wichtigsten Sprachfertigkeiten: Stimmt ihr immer noch eurer ursprünglichen Reihenfolge zu?

Abschliessende Gedanken

In dieser Lektion haben wir die Phasen des L2-Erwerbs durchlaufen und verstanden, wie das Lernen über den reinen Wortschatz und die Grammatik hinausgeht. Wir untersuchten die angeborenen Fähigkeiten im Anfangsstadium, die Vermischung von L1 und L2 im Zwischenstadium und das Streben nach L1-ähnlichen Kenntnissen im Endstadium, einschließlich des Phänomens der Sprachfossilisierung.

 

Unsere Erkundungen und Diskussionen unterstrichen die Bedeutung der kommunikativen Kompetenz - es geht nicht nur um die Beherrschung der Sprache, sondern auch um den effektiven und angemessenen Gebrauch in unterschiedlichen Kontexten.

Denk daran, dass jede Phase des Sprachenlernens neue Einsichten und Herausforderungen mit sich bringt. Der Spracherwerb ist eine fortlaufende Entdeckungsreise, und wenn wir seine Phasen verstehen, können wir diesen fesselnden, intimen, individuellen und dynamischen Lernprozess bewusster steuern.

Bibliografie

Cook, V., & Singleton, D. M. (2014). Key topics in second language acquisition. Multilingual Matters.

 

Saville-Troike, M., & Barto, K. (2017). Introducing second language acquisition. Cambridge University Press.

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